Kreisausländerbeirat Gießen

Tätigkeitsbericht 2006-2010

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  Aufgaben und Funktion der Ausländerbeiräte 

Primäre Aufgabe von Ausländerbeiräten ist die Interessenvertretung von Ausländerinnen und Ausländern durch Beratung der kommunalpolitischen Gremien. Sie nutzen die ihnen gegebenen Möglichkeiten zum intervenieren und zur Öffentlichmachung von Problemfeldern, beraten die kommunalpolitischen Entscheidungsträger in Fragen, die die ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner betreffen und erarbeiten Lösungsvorschläge. Dies erfordert intensive Kontakte und Gespräche mit Politik und Verwaltung, aber auch mit außerparlamentarischen Verbänden und Einrichtungen. Weiterhin vertreten sie die Interessen von Ausländerinnen und Ausländern auch gegenüber der Öffentlichkeit, tragen mit Veranstaltungen aller Art zu einer besseren Verständigung zwischen Deutschen und AusländerInnen bei und unterstützen die Selbstinitiative und Aktivität von AusländerInnen auf politischem, sozialem oder kulturellem Gebiet. Viele weitere Aufgaben ergeben sich aus der täglichen praktischen Arbeit.

 

  Umsetzung der Aufgaben in der Legislaturperiode 2006-2010 

Dem Ausländerbeirat des Landkreises Gießen (KAB) ist es in den fünf Jahren seiner Amtszeit gelungen, Politik und Öffentlichkeit auf eine Reihe von Problemfeldern aufmerksam zu machen, vielen Menschen in ihrer persönlichen Lage zu helfen, sein bereits bestehendes Netzwerk von unterstützenden Organisationen und Personen weiter auszubauen und – trotz seiner bescheidenen finanziellen Mittel – durch eine Reihe politischer und kultureller Veranstaltungen einen bedeutenden Beitrag zum Zusammenleben der Menschen im Landkreis Gießen beizutragen.  

Schwerpunkte seiner Arbeit waren:

·        Chancengleichheit in Kindergarten, Schule und Ausbildung

·        Zugang zum Arbeitsmarkt

·        Flüchtlinge, Fluchtursachen, Abwehr von Flüchtlingen

·        Menschen ohne Aufenthaltsstatus („Illegalisierte“), Abschiebung

·        Bleiberecht

·        Einbürgerung und Optionspflicht

·        Integration

·        Sprach- und Integrationskurse

·        niedrigschwellige Angebote, Kleinprojekte, Vereine und ehrenamtliche Initiativen

·        Sozialarbeit

·        Situation der Migrantinnen

·        Älter bzw. Alt werden in Deutschland

·        Migration und Gesundheit

·        Rechtsextremismus

·        Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger

·        Weiterentwicklung der Ausländerbeiräte  

 

Die Themen Bildung, Ausbildung, Zugang zu Schulabschlüssen bildeten einen Schwerpunkt der Arbeit – wie auch in der vorherigen Legislaturperiode. Dabei stellte der Ausländerbeirat nur leicht rückläufige Zahlen von Einweisungen von Migrantenkindern in die Sonderschulen (heute Förderschulen genannt) fest. Die frühe Selektion ab Klasse 4 benachteiligt Migrantenkinder, deren Anteil an den höheren Schulabschlüssen nach wie vor zu gering ist, ganz besonders und wird deshalb vom Ausländerbeirat abgelehnt.

Das ganze System der Absonderung gehört auf den Prüfstand, langes gemeinsames Lernen statt Ausgrenzung und Selektion wird gefordert. Hoffnung auf Veränderung besteht durch erste vorsichtige Inklusionsprojekte.

Auch der Zugang zu Ausbildungsplätzen ist für Jugendliche mit Migrationshintergrund noch immer schwierig.

Diese Themen, sowie auch die frühe Förderung von Kindern im Vorschulalter, waren Gegenstand vieler Sitzungen, Gespräche und Veranstaltungen – es ging darum, die Probleme zu erkennen, sie öffentlich zu benennen und Lösungswege vorzuschlagen.  

itglieder des Ausländerbeirates arbeiteten auch im Rahmen anderer Projekte und Initiativen intensiv mit Kindern und Jugendlichen. Diese und andere Initiativen, die die Benachteiligung im Schulsystem etwas ausgleichen wollen, wurden unterstützt.  

 

Ein weiterer wichtiger Themenkomplex war der juristische Rahmen, in dem Nichtdeutsche leben. Der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft und die in den nächsten Jahren auf viele junge Doppelstaatler zukommende und von der Politik noch nicht zufriedenstellend gelöste „Optionspflicht“ waren ein Bereich, mit dem sich auch der künftige Ausländerbeirat sicherlich konfrontiert sehen wird.

Die Fragen rund um die 2007 beschlossene „Bleiberechtsregelung“ wurden in zahlreichen Veranstaltungen und Gesprächen erörtert. Etliche Familien im Landkreis Gießen konnten durch die Bleiberechtsregelung endlich eine Perspektive auf dauerhaften Aufenthalt erhalten. Das Problem des erschwerten Zugangs zum Arbeitsmarkt bleibt jedoch für viele Betroffene bestehen. Der Ausländerbeirat wurde wiederholt mit dem Problem der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen konfrontiert und vor allem auch mit der Tatsache, dass die angebotenen Jobs aus dem Niedriglohnsektor oft nicht ausreichend sind, um den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme ergänzender staatlicher Unterstützung zu sichern. In ca. 20 Fällen konnten die Behörden noch keine gesetzlich abgesicherte Lösung für einen Aufenthalt finden – der Ausländerbeirat strebt auch für diese Personen Wege aus den „Kettenduldungen“ an und wird diese Bestrebungen in der kommenden Legislaturperiode weiter verfolgen.

Flucht und Asyl waren auch in anderen Zusammenhängen im Blickfeld, etliche Aktivitäten des Ausländerbeirates dienten der Information über Fluchtursachen in Ländern wie Türkei, Irak, Iran und Afghanistan, über das deutsche Asylverfahren, über die Unterbringung und sehr eingeschränkten Lebensbedingungen von Asylbewerbern sowie über die Abwehr von Flüchtlingen durch die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX.

Durch seine Mitgliedschaft und sein Mitwirken bei der Initiative save-me-giessen  setzt sich der Ausländerbeirat für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Deutschland im Rahmen von UNHCR-Resettlementprogrammen ein.

Auf die dunkelsten Schattenseiten der abwehrenden Asyl- und Flüchtlingspolitik, die Abschiebungen und die Illegalisierung von Menschen – auch im Landkreis Gießen, wurde unter anderem durch das Zeigen der Austellung „kein mensch ist illegal“ und der beiden Filme „Abschiebung im Morgengrauen“ und „Verlorene Jahre“ aufmerksam gemacht. Der Film „Verlorene Jahre“ von Dorothea Kaden zeigt das Porträt einer jungen Frau aus dem Landkreis Gießen, die in der „Illegalität“ leben musste. Nach der Veröffentlichung des Filmes und dem Einsatz einer Wetzlarer Flüchtlingsinitiative in Zusammenarbeit mit dem KAB, konnte der jungen Frau nach Jahren wieder Aufenthaltsstatus und geregelter Schulbesuch ermöglicht werden.

 

Der Frage wie eigentlich der allgegenwärtige Begriff „Integration“ zu definieren sei, ging der Ausländerbeirat in seinem Tagesworkshop „Integration – was kann der/die Einzelne, was die Gesamtgesellschaft beitragen?“ nach. Positionen wurden unter anderem zu Integration im Allgemeinen, zur Berlin-Studie und zu den Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung erarbeitet.

Der Ausländerbeirat informierte sich über die sogenannten Integrationskurse und zog kritische Bilanz. Er arbeitete mit Kursträgern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammen und unterstützte auch Einzelpersonen mit erschwertem Zugang zu den Sprach- und Integrationskursen.Um die Effektivität und Kreativität von niedrigschwelligen Angeboten zu zeigen, stellte der KAB zahlreiche Kleinprojekte und ehrenamtliche Initiativen vor, die allesamt einen wertvollen Beitrag zur Integration im Landkreis Gießen beitragen.  

 

Der Ausländerbeirat beobachtete die Entwicklung der rechten Szene im Landkreis und in der Region und wurde mehrmals von Personen aufgesucht, die um Unterstützung baten, weil sie Opfer von Rassismus und Diskriminierung geworden waren. Ausländerfeindliche Drohbriefe und Brandstiftungen waren konkrete Anlässe.  

 

Weitere Themenbereiche wie Gesundheit und Interkulturelle Medizin wurden behandelt, der Themenkomplex „Älter werden in Deutschland“ wurde durch eine Reihe von Vorträgen und Gesprächen zur Rente, Pflegeversicherung, Palliativpflege und Bestattungspraxis berücksichtigt und jährliche Beiträge zu den Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag machten auf die besonderen Lebenslagen von Migrantinnen aufmerksam.  

 

Intensiv war in dieser Wahlperiode auch die Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (agah), wo der KAB durch diverse Anträge das 

(eine umfassende Handlungsempfehlung für die Landesregierung) mit gestaltete und sich in der AG Weiterentwicklung der Ausländerbeiräte mit eindeutigen Positionen für Erhalt und Ausbau der hessischen Ausländerbeiräte als echte Interessensvertretungen engagierte. 

 

Zur praktischen Unterstützung für Migrantinnen und Migranten wurde eine kostenlose juristische Sprechstunde eingerichtet, in der ein auf Ausländerrecht spezialisierter Anwalt Ratsuchenden Fragen im Zusammenhang mit Problemen beantwortet, die sich aus ihrer Situation als Zugewanderte ergeben. Außerdem wurden, wie bereits erwähnt, zahlreiche Vereine, Initiativen und Einzelpersonen unterstützt.  

 

Zum Schluss sei auf die wichtigsten Partner und Gremien hingewiesen, ohne die keine Öffentlichkeitsarbeit möglich gewesen wäre:

Diesen, und allen anderen UnterstützerInnen und HelferInnen sei an dieser Stelle herzlichst gedankt!